Vor ein paar Tagen habe ich das Medizinhistorische Museum Hamburg besichtigt. In diesem Ort auf dem Gelände des UKE ist die Entwicklung der Medizin während den zwei letzten Jahrhunderten und die der Arzt- und Krankenhauspraxis in Hamburg ausgestellt.
Besucherinformationen
Das Medizinhistorische Museum befindet sich im Gebäude N30, an der Ecke der Geschwister-Scholl-Straße und Frickestraße. Der Eintritt kostet 6 € (ermäßigt 4 €). Das Museum ist samstags und sonntags von 13:00 bis 18:00 geöffnet. Führungen werden angeboten (mehr Infos auf der Webseite). Die Informationstafeln sind auf Deutsch und auf Englisch geschrieben.
Ich habe erst überlegt, die Ausstellung mit meinem Sohn zu besuchen. Doch einige Themen der Medizingeschichte sind für Kinder nicht geeignet. Daher empfehle ich die Ausstellung nicht für kleine Kinder. Für Jugendliche sind die Themen und die Ausstellung aber gut geeignet.
Das Institut für Geschichte und Ethik der Medizin von UKE hat eine aktuelle und umfangreiche Handreichung für den Geschichts- und PGW-Unterricht zum Thema „Seuchen und Gesundheit“ veröffentlicht. Das Heft ist sehr interessant, besonders die Archivtexte und die Archivfotos.
Link, um das Unterrichtsmaterial herunterzuladen.
Die Geschichte des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
In nur einem Jahrhundert ist Hamburg durch den Zuzug vieler Menschen enorm gewachsen und zur Metropole geworden (130 000 Einwohner in 1800, 700 000 in 1900). Außerdem führte der Reichskanzler Otto von Bismarck 1883 die erste deutsche Sozialversicherung ein. In einem Krankenhaus behandelt zu werden war auch für diejenigen, die geringen Einkommen hatten, möglich geworden. Dadurch hatte sich in ein paar Jahrzehnten der Bedarf nach Krankenhausplätzen der Stadt Hamburg stark erhöht. Der Hamburger Senat wurde sich bewusst, dass das Allgemeine Krankenhaus St. Georg überlastet war und es nicht genug Platz gab, um es nochmal zu erweitern.
Gerhard Marius Lundt (Verwaltungsdirektor) und Heinrich Curschmann (Ärztlicher Direktor, ersetzt in 1888 durch Alfred Kast) wurden beauftragt, das Neue Allgemeine Krankenhaus zu gründen. Sie sind von der Pavillonbauweise überzeugt, bei der jeder Pavillon einem Typ von Pathologien zugeordnet ist. Das Hygienekonzept besagte, autarke Gebäudeinseln zu bauen, um die Ausbreitung von Krankheiten zu vermeiden und viel Platz zwischen die Pavillons zu lassen, um zu lüften (man befürchtete noch die Miasma, „schlechte Luft“). Sie planten auch ein großen Park, um die körperliche und seelische Heilung den Patienten zu unterstützen.
1889 wurde das Neue Allgemeine Krankenhaus Eppendorf gegründet. Zu dieser Zeit lag Eppendorf noch am Stadtrand Hamburgs, wo die Grundstücke noch billig und verfügbar waren.
Die dramatische Choleraepidemie von 1892 (8000 Menschen gestorben, 16 000 erkrankt) trieb die Einsicht des Senats über die katastrophale Lage der Wasserversorgung der Stadt und über das Elend und die Beengtheit im Gängeviertel voran. Das Hamburger Trinkwasser wurde damals ungereinigt der Elbe entnommen, man hat sogar noch Tiere in den Kanalisationen gefunden. Ab 1893 wird das UKE seine eigene Wasserversorgung entwickeln, um das Wasser direkt zu reinigen.
Die nächste große Etappe ist die Gründung der Universität Hamburg in 1919, insbesondere der Medizinische Fakultät. Bislang mussten die Hamburger in anderen Städten Medizin studieren. Das Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten wurde zwar in 1900 gegründet, es bildete aber keine Medizinstudenten aus.
Eine medizinische Fakultät war an der Universität Hamburg zunächst nicht vorgesehen, aber Prof. Dr. Eugen Fraenkel und Hermann Kümmel haben sich stark für eine solche Fakultät engagiert. Die medizinische Ausbildung sollte mit dem Präparierkurs und einer praktischen Einführung in die Anatomie anfangen. Im Erdgeschoss des Museums kann man den restaurierten historischen Sektionssaal mit den steinernen Sektionstische von 1926 sehen.
1934 wurde der Name offiziell in Universitäts-Krankenhaus Eppendorf (UKE) verändert, um zu betonen, dass die medizinische Fakultät an das Krankenhaus angegliedert ist. Ein Teil der Dauerausstellung ist der Medizin und ihrer Ausübung im UKE während des Nazi-Regimes und des Zweiten Weltkriegs gewidmet. Es wird erklärt, wie das jüdische Personal und die politischen Gegner entlassen wurden, sowie die national-sozialistische Politik der Euthanasie von behinderten Kindern und Erwachsenen, von psychisch kranken Personen und Zwangssterilisationen (16 000 Opfer) in Hamburg angewendet wurden.
Während des Zweiten Weltkriegs wurden auf dem UKE-Gelände Bunker (die meisten unterirdisch) gebaut. Der Bunker (linkes Foto) war die Notaufnahme. Die Patienten, die eine Operation brauchten, sollten dann durch eine unterirdische Passage den anderen Bunker (rechtes Foto) erreichen, wo die Operation-Räumen und Krankenstationen waren.
Die Entnazifizierung wurde schnell beendet, der Personalmangel wurde als Argument genommen, um keine Ärzte ausschließen, auch die, die Verantwortung für die Euthanasie- und Sterilisationspolitik trugen. In 2014 wurden Stolpersteine mit Namen der 16 jüdischen Ärzten, die in 1933-1934 vertrieben wurden, am Eingang des Hauptgebäudes verlegt. In 2015 hat Ingeborg Syllm-Rapoport (102 Jahre alt) ihren Doktortitel im UKE gefeiert… 77 Jahre nachdem sie ihre Doktorarbeit geschrieben hatte. Obwohl ihr Doktorvater die Zulassung zur mündlichen Doktorprüfung gegeben hatte, der eine positive Meinung über ihre Arbeit über die Diphtherie hatte, dürfte sie nicht promovieren und kein Doktortitel bekommen, weil sie als „jüdischer Mischling ersten Grades“ von der nationalsozialistischen Hochschulbehörden eingestuft wurde.
Seit 2001 heißt das UKE offiziell Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Zurzeit finden große Bauprojekt statt. Tatsächlich gehört die Pavillonbauweise nicht mehr zur aktuellen Vorstellung eines modernen Krankenhauses. Einige der Gebäude aus dem XIX. Jahrhundert wurden abgerissen, um Platz für neue Zentren wie das Universitäres Herz- und Gefäßzentrum zu schaffen.
Um mehr über die Geschichte des UKE zu erfahren, können Sie hier das Buch zum Jubiläum (125 Jahre des Krankenhauses) herunterladen.
Die Geschichte der Medizin im XIX. und XX. Jahrhundert
Ein anderer Teil der Dauerausstellung ist der Entwicklung der ärztlichen Praxis vom Ende des XIX. Jahrhundert bis heute gewidmet. Man kann z.B. die Moulagen aus Gips oder Wachs als Lehrmittel für die Medizinstudenten und die Ärzte sehen. Ab dem XVII. Jahrhundert wurden solche Wachsformen mit Farben und Relief verwendet, um die vielfältigen Erscheinungsmöglichkeiten und Stadien einer Krankheit darzustellen. Die Moulagen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg durch Diapositive ersetzt. Tatsächlich sind sie günstiger und einfacher anzuschaffen und aufzuräumen.
In 1911 hat die Internationale Hygieneausstellung in Dresden stattgefunden. Mehr als 5 Millionen Besucher haben sich über Hygiene und Medizin informiert. Neben den Sektionssaal kann man Objekte über diese internationale Ausstellung sehen und über den Willen, Hygiene als Alltagsgewohnheit zu Hause sowie im Krankenhaus einzuführen.
Das Museum zeigt auch verschiedene historische medizinische Geräte, wie zum Beispiel diesen Inkubator aus den 1930er Jahren. Er ist aus Holz und die vier Heizlampen liegen unter dem Lattenrost.
Weitere Vitrinen sind auch für die Entwicklung der Zahnmedizin, der Radiologie, sowie die Entwicklung der Verschreibung und den Medikamenten gewidmet.
Schließlich kann man auch viel über die Pocken lernen, wie ansteckend und gefährlich sie war und wie man sie mit der Variolation und danach mit der Impfung bekämpft hat. Bis zum XIX. Jahrhundert, gab es durchschnittlich jede 6 Jahren eine Epidemie und 20% der erkrankten Kinder haben nicht überlebt.
Der Besuch des Medizinhistorischen Museums war sehr lehrreich. Weil ich keine medizinische Ausbildung habe, habe ich wahrscheinlich die verschiedenen Thematiken nicht so tief verstanden, aber die Geschichte des Krankenhauses und der Krankenversorgung ist auch für Laien sehr spannend.
Rétroliens/Pings